BUDDHISTISCHE PRINZIPIEN 6



 

SANTAI

(Die drei Warheiten)

Die Lehre von den drei Wahrheiten bietet eine klare Analyse des Lebens. Der buddhistische Ausdruck santai bedeutet 'drei' (san) und 'klar' oder 'offensichtlich' (tai). Diese drei Aspekte des Lebens können nicht voneinander getrennt werden.
Ke ist die Wahrheit vorübergehender Existenz oder der physische Aspekt. Phänomene besitzen keine feste Existenz und verändern sich ständig; sie sind eine zeitliche Vereinigung der fünf Komponenten Form, Wahrnehmung, Begriffsvermögen, Wollen und Bewusstsein. Der Punkt ist: weil wir dazu tendieren, das physische Leben als festgelegt zu betrachten, gewöhnen wir uns daran. Doch schließlich leiden wir, weil wir herausfinden, dass es eben nicht unveränderlich ist. Wenn wir Illusionen nachhängen, dann fürchten wir ständig, wir könnten unseren Besitz verlieren oder die, die wir lieben; oder wir machen uns Gedanken darüber, dass wir altern und irgendwann sterben müssen.
Ku ist die Wahrheit des Nicht-Substanziellen. Der Begriff wurde gelehrt, um die Menschen von ihrer Anhänglichkeit an die physische Welt zu befreien; und zwar, indem man lehrte, dass die Erscheinungen eben nicht fest sind, keine festgelegte Struktur besitzen, nicht von Dauer sind und das die wahre Natur der Dinge eben ku ist.
Dieses Konzept kann nur als "Weder Existenz noch Nichtexistenz" definiert werden. Wir wissen zum Beispiel, dass wir uns manchmal ärgern, aber wenn wir gerade nicht ärgerlich sind, was passiert dann mit unserem Ärger? Wo ist er hin? Es ist ganz bestimmt nicht so, dass es ihn nicht gibt, denn es braucht nur den geringsten Anlass, zum Beispiel eine Beleidigung, und dann ist er wieder da. Tatsächlich existiert dieser Ärger im Zustand von ku als ein Potenzial, das nicht da zu sein scheint, doch das jederzeit wieder auftauchen kann, sofern die Umstände es begünstigen.
Der Hinayna Buddhismus definierte das Konzept von ku als "Nichtsein" oder "Leerheit" oder "Leere". Nichiren Daishonin hat dagegen gezeigt, dass gerade dies die Substanz des Lebens ist: sein latentes Potential. Der Hinayana Buddhismus ließ aber auch die Schwäche seiner philosophischen Herangehensweise deutlich werden: seine Anhänger mussten zwischen dem Physischen und dem Nicht-Physischen trennen, um das Unmögliche zu schaffen und alles Verlangen auszulöschen.
T'ien-t'ai der Große von China (538-597) war der erste, der die Lehre der "Vereinigung der drei Wahrheiten" verbreitete. Sie erklärt die Wirklichkeit des Lebens als Vereinigung der drei integralen Aspekte von zeitlich begrenzter Existenz (ke), Nicht-Stofflichem (ku) und dem Mittleren Weg (chu). Am einfachsten zu verstehen ist dies durch T'ien-t'ais eigene Analogie eines Spiegels.
Er schreibt:
"Um es deutlich zu machen: es verhält sich wie mit einem klaren Spiegel. Seine Klarheit entspricht dem Nicht-Stofflichen; sein Bild spiegelt die zeitlich begrenzte Existenz wieder; und der Spiegel selbst entspricht dem Mittleren Weg."
Dies zeigt, dass wir die drei Wahrheiten nicht voneinander trennen können, und wie sich die Dinge zwar ständig ändern und trotzdem wirklich sind.
Nehmen wir den Apfelbaum, um ein anderes Beispiel zu nennen: die Natur (ku) eines Apfelbaumes besteht darin, zu blühen und zu einer bestimmten Zeit Früchte zu tragen. Was wir vom Baum sehen können, seine Farbe, seine Form usw., ist seine zeitlich begrenzte Existenz (ke) und das Wesen des Apfelbaums selbst, das was ihn immer zu einem Apfelbaum macht und nicht zu einer Eiche oder einer Tanne, das ist der Mittlere Weg (chu).
Auf den Menschen bezogen heißt das: seine äußerliche physische Form ist seine zeitlich begrenzte Existenz (ke), seine Natur (bestehend aus Charakter, Wünschen, Gefühlen, Weisheit usw.) ist das Nicht-Stoffliche (ku) und das Wesen des eigenen Lebens - das ewig ist und als Ganzheit existiert und was bedeutet, dass wir uns nicht voneinander unterscheiden - das ist der Mittlere Weg (chu). Diese Gesamte Lehre geht über das Konzept der Dualität hinaus, über die Trennung zwischen Körper und Geist.[1]

Auch wenn dieses Prinzip bereits von T'ien-t'ai gelehrt wurde, blieb es doch größtenteils Theorie, bis Nichiren Daishonin im Japan des 13.Jahrhunderts zu lehren begann. In seinen mündlich überlieferten Lehren steht:
"Was heißt 'perfekte Verschmelzung der drei Wahrheiten'? Es ist Nam-Myoho-Renge-Kyo."
Mit anderen Worten: es gibt eine Kraft, die ku und ke harmonisiert und unterstützt, nämlich Nam-Myoho-Renge-Kyo, das Mystische Gesetz des Mittleren Weges, oder chutai. Nichiren Daishonin nannte die Quelle aller Illusionen "Die grundlegende Dunkelheit" und lehrte den Weg, diese fundamentale Dunkelheit zu erleuchten:
"Ein Herz, das gegenwärtig von Illusionen verdunkelt wird, die aus der eingeborenen Dunkelheit des Lebens stammen, gleicht dem blinden Metallspiegel, aber ist er erst poliert, so wird er klar und zeigt die Erleuchtung der unveränderlichen Wahrheit. Rufen Sie tiefen Glauben in sich hervor und polieren Sie Ihren Spiegel Tag und Nacht. Wie sollten Sie ihn polieren? Nur durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo."[2]
Nichiren Daishonin lehrte, dass man Nam-Myoho-Renge-Kyo zum Gohonzon chanten muss, um tatsächlich die "Verschmelzung der Drei Wahrheiten" im Buddhazustand zu erreichen. Damit überwand er die Beschränkungen der vorhergehenden Theorien und machte die Kraft des Mystischen Gesetzes allen möglichen Menschen zugänglich.
Wenn wir Daimoku chanten, dann aktivieren wir die volle Kraft von chutai, die sowohl Körper (ke) als auch Geist (ku) mit dem Mystischen Gesetz in Einklang bringt. Dann sind die Drei Wahrheiten im Buddhazustand vereint und bringen uns dazu, ein Leben perfekter Balance zu führen - das ist der Mittlere Weg. Wenn wir daher diesen Buddhismus praktizieren, dann versuchen wir nicht, das teuflische in uns zu eliminieren, sondern wir versuchen, die Lebensaspekte zu polieren oder zu erleuchten, die bereits da sind; auch wenn sie dunkel, stumpf oder beschlagen sein sollten. Es ist wie Licht anknipsen in einem dunklen Raum. Das Zimmer verändert sich nicht. Vorher war es dunkel und jetzt ist es hell. Aber in einem dunklen Zimmer zu sein ist nicht dasselbe, wie in einem hellen Zimmer zu sein. Vorher konnten wir nur blind herumstolpern und Sachen umwerfen. Jetzt können wir klar sehen, um zu handeln.
Wenn wir uns in etwas täuschen, dann bedeutet dies bezogen auf die Drei Wahrheiten: unser Leben (chu) zeigt sich in Form von Dunkelheit, unser Geist hat die Natur (ku) von Ärger und unsere Handlungen (ke) sind gierig. Sind wir erleuchtet, dann zeigt sich unser Leben (chu) im Zustand der Buddhaschaft mit Lebenskraft und Mut, unser Geist (ku) zeigt erleuchtete Weisheit und unsere Handlungen (ke) werden voll Mitgefühl sein. Auf diese Weise verändert sich unser gesamtes Leben, wenn es auch an sich dasselbe bleibt.
Es ist heutzutage wichtiger als je zuvor, dass die Menschen die Notwendigkeit erkennen, ihr Leben in allen seinen drei Aspekten zu entwickeln und damit in Harmonie zu kommen mit sich selbst, der Gesellschaft und der Umwelt. Die Lösungen für die Probleme, denen wir uns gegenüber sehen, sind da. Sie liegen ungenutzt in uns. Wie Aurelio Peccei, der inzwischen verstorbene Mitbegründer des Club of Rome, schreibt:
"Dennoch möchte ich von vornherein klarstellen, das ein solch hochgestecktes Ziel nicht zu erreichen und unsere Fahrt in eine düstere Zukunft nicht zu stoppen ist, wenn wir verzweifeln und Mut verlieren. Denn wir können unsere Lage unmöglich verändern, wenn wir glauben, dass der Mensch von heute nicht über seine inneren Beschränkungen hinauswachsen kann... Die Welt muss auf sich selbst und ihre Fähigkeiten vertrauen, wenn sie eine bessere Zukunft gestalten will. Die Entwicklung unserer eigenen Fähigkeiten ist der natürliche Ausgangspunkt für die Schaffung dieses Selbstvertrauens, und darüber gewinnen wir auch die Einsicht, dass der große Sprung auf ein höheres Entwicklungsniveau des Menschen, den wir wagen müssen, möglich ist. Er ist möglich - wenn wir es wollen. Diese Überzeugung zu gewinnen, ist sowohl die Voraussetzung als auch der erste Schritt zu einer konstruktiven Alternative."[3][4]

Ichidaiji heißt wörtlich 'eins' (ichi), 'großartig' (dai) und 'Tatsache' (ji) und bedeutet "das Letztendliche, Höchste, Eigentliche, Wahre". Ichidaiji symbolisiert auch en'yu-santai oder die vollkommene Verschmelzung der drei Wahrheiten: kutai (Möglichkeit), ketai (Form) und chutai (Wesen oder Quelle). In den Ongi Kuden lesen wir: "Ichi entspricht chutai, dai entspricht kutai, und ji entspricht ketai. Was ist mit der 'Vollkommenen Verschmelzung der drei Wahrheiten' gemeint? Sie ist das, was man Nam-Myoho-Renge-Kyo nennt." Ichi ist hier das absolute Wesen, das alles umfasst; daher entspricht es chutai, dem Mittleren Weg. Dai sagt uns, dass das höchste Gesetz des Lebens und des Universums so ausgedehnt und so allumfassend wie der Kosmos ist; daher entspricht es kutai. Ji besagt, dass dieses Gesetz sich in den kaleidoskopischen Veränderungen aller wirklichen Phänomene manifestiert, und entspricht daher ketai. Letzten Endes ist ichidaiji identisch mit Nam-Myoho-Renge-Kyo, dem Gesetz, das auf vollkommene Weise die drei Wahrheiten in sich vereint. Nam-Myoho-Renge-Kyo ist das absolute Gesetz des Lebens und des Universums. Gleichzeitig enthält es alle Dinge im gesamten Kosmos. Es ist nicht nur irgendeine Idee oder etwas Abstraktes, Unbestimmtes; es manifestiert sich in tatsächlichen Erscheinungen. Das wahre Wesen des Lebens, vollkommen frei und uneingeschränkt: das ist ichidaiji.[5]

Im Buddhismus spricht man von den drei Wahrheiten (santai) sowie von den drei erleuchteten Eigenschaften des Buddhas (sanjin). Bei den drei Wahrheiten handelt es sich zum einen um die Wahrheit der Nicht-Substanzialität (kutai), die aussagt, dass alle Phänomene kein festgelegtes oder Absolutes Dasein fristen, sondern ihre wahre Natur in ku besteht, einem potentiellen Zustand, der weder als Existenz noch als Nicht-Existenz aufgefasst werden kann. Zum anderen handelt es sich um die Wahrheit der zeitweiligen Existenz (ketai), die aussagt, dass alle Phänomene, wenngleich ohne feste Substanz, phänomenale Erscheinungen von zeitlich begrenzter Dauer sind und sich in einem Zustand beständigen Flusses befinden. Die dritte Wahrheit ist die des Mittleren Weges (chutai), die ihrerseits aussagt, dass alle Phänomene sowohl den Aspekt der Nicht-Substantialität als auch den der zeitweiligen Existenz aufweisen, aber ihrem Wesen nach keines von beiden sind und die wahre Natur der Phänomene jenseits des durch Worte oder die Vorstellung Fassbaren liegt.
Diese drei Wahrheiten werden zum menschlichen Leben über die ersten der drei Lebensfaktoren - Erscheinung, Natur und Wesen - und zu den drei erleuchteten Eigenschaften des Buddhas in Beziehung gesetzt. So werden sie direkt erfassbar: Erscheinung entspricht der Wahrheit der zeitweiligen Existenz (ketai), und in Beziehung zum erleuchteten Leben erweist sich Erscheinung als der Körper des Buddhas oder als dessen erleuchtete Eigenschaft der barmherzigen Handlung (ojin). Natur entspricht dem spirituellen Aspekt des Lebens oder der Wahrheit der Nicht-Substantialität (kutai), die sich als die spirituelle Eigenschaft der erleuchteten Weisheit des Buddhas (hosshin) oder als die Weisheit, das wahre Wesen des Lebens richtig zu erfassen, manifestiert. Wesen entspricht der Wahrheit des Mittleren Weges (chutai), die sich als die essentielle Eigenschaft des Gesetzes (hosshin) manifestiert. So bedeutet Wesen die essentielle Natur des Gesetzes oder das wahre Wesen des Lebens.[6]
Nichiren Daishonin führt dazu in seiner Gosho "Über die von allen Buddhas bekräftigte letztendliche Lehre" aus:
"Im gewöhnlichen Sterblichen nennt man sie die drei Wahrheiten; nach Erlangung der Buddhaschaft werden sie als die drei erleuchteten Eigenschaften bezeichnet. Die drei Wahrheiten und die drei erleuchteten Eigenschaften sind zwei verschiedene Bezeichnungen derselben Realität."[7]

Es gibt 'drei Aspekte der Wesensschau' (san-tai), die eine buddhistische Dialektik bilden: 'Ku' (die Leere, das Latente), 'Ke' (der Schein, das Aktuelle) und 'Tschu' (die Wesenheit). Der Einfachheit halber lernen wir sie jetzt nur im Zusammenhang mit drei Aspekten des Lebens kennen: 'Gestalt' (nyose-so; der körperliche Aspekt), 'Eigenschaft' (nyose-scho; der geistige Aspekt) und 'Wesen' (nyose-tai; der wesentliche Aspekt). Buddhismus ist eine 'runde Lehre', sodass das aktuelle Leben sich einerseits als der Aspekt des 'Ke' im Sinne der Erscheinung darstellt, während es in sich die drei Aspekte des geistigen, des körperlichen und des wesentlichen Aspekts enthält. Wenn alle zehn (Lebensfaktoren[8]) in diese drei Kategorien eingeteilt werden, sehen sie folgendermaßen aus:

Tschu Ku Ke
Wesensaspekt Geistiger Aspekt Körperlicher Aspekt
3. Wesen 2. Eigenschaft 1. Gestalt
4. Kraft                5. Auswirkung
6. Innere Ursache

               7. Äußere Ursache

8. Innere Wirkung                9. Äußere Wirkung

               10. Konsequente Übereinstimmung

Diese schematische Darstellung zeigt z.B., dass die Kraft im Wesen des Lebens in den beiden Aspekten des Körpers und des Geistes erscheint, wobei das Wesen nicht etwa als eine dritte Substanz oder als eine Seele aufgefasst werden darf. Der Buddhismus - als eine philosophische Bewebung, ist weder Spiritualismus noch Materialismus, sondern der Mittlere Weg, der das Leben in seiner Ganzheit und Einheit erfasst. Die grundlegende Änderung unseres Lebens kann nicht auf der Ebene der Psychosomatik stattfinden, sondern nur von Grund auf, d.h. auf der Ebene des Wesens selbst.
Des weiteren bedeutet der Tod, dass sowohl die körperlichen als auch die geistigen Funktionen verloren gehen und dass nur die Elemente, die zum Wesensaspekt gehören, wie die Selbstidentität, die Lebensenergie und das Karma nach dem Tod übrigbleiben. Die Buddhistische Vorstellung vom Leben nach dem Tode ist demnach die von einer Energie des Lebensgesetzes, die individuell und karmisch gefärbt ist, wie ein Tropfen Tinte, der ins große Meer eintaucht. So wird man wiedergeboren, wenn die karmisch bestimmten Bedingungen erfüllt sind, und man lebt gemäß seinem Karma.[9]


SCHIKISHIN FUNI

(Untrennbarkeit von Körper und Geist)

Die Kapitel 17, 18 und 19 des Lotos-Sutras behandeln die Wohltaten die diejenigen erhalten, die das Lotos-Sutra nach dem Tod von Shakyamuni Buddha annehmen und verbreiten. Das Funbetsu Kudoku-Kapitel spricht nur von geistigen Wohltaten, während das Zuiki Kudoku und Hosshi Kodoku-Kapitel von geistigen und Körperlichen Wohltaten sprechen. Das Zuiki Kudoku-Kapitel spricht zum Beispiel davon, dass diejenigen, die es anderen ermöglichen, das Lotos-Sutra zu hören mit einem angenehmen Äußeren wiedergeboren werden. Das Hosshi Kudoku-Kapitel sagt, dass jemand mit einem gereinigten Geruchssinn den Wert von Edelsteinen und Versteckte Vorkommen von Edelmetallen erkennen kann. Einige moderne Leser fühlen sich durch solche Versprechungen von materiellem Wohlstand beunruhigt. Sie argumentieren, dass Menschen, die sich um ihre "Selbstverwirklichung" bemühen, sich nur um geistige Wohltaten bemühen sollten. Auf dieser Ebene kann man die einzelnen Beispiele, die im Sutra vorgestellt werden symbolisch verstehen. Allgemein gesehen existieren wir als Menschen im geistigen und körperlichen Bereich. Nach dem Prinzip der Einheit von Körper und Geist (shikishin funi) ist es deshalb ganz natürlich, dass sich die Wohltaten des Glaubens in beiden Bereichen zeigen. Viele Menschen, die an den Gohonzon glauben, haben tatsächlich solch greifbare Wohltaten wie die Überwindung einer schweren Krankheit oder eine Verbesserung ihrer materiellen Verhältnisse erfahren, die ihren Familien ein besseres Leben ermöglichten. Wir müssen jedoch genau verstehen, dass solch positive Veränderungen unserer äußeren Lebensumstände eine Konsequenz aus einer tiefen inneren Veränderung und Erhöhung unseres Lebenszustands sind. Dies wird in den oben genannten Kapiteln sehr deutlich.[10]

Nam-Myoho-Renge-Kyo im Zentrum des Gohonzons, die universelle Lebenskraft und Weisheit des Buddhas, zeigt sich - jetzt vom Prinzip der 'Untrennbarkeit von Körper und Geist' (Schikischin funi) her gesehen - in den beiden Aspekten des Lebens, die durch die beiden mythologischen Gottheiten Fudo und Aizen symbolisiert sind. Fudo weist auf den körperlichen Aspekt hin und repräsentiert das Prinzip 'Die Leiden von Geburt und Tod ins Nirvana verwandeln' (Shoji-soku-Nehan), Aizen hingegen, den geistigen Aspekt darstellend, das Prinzip 'Die Begierde in die Erleuchtung verwandeln' (Bonno-soku-Bodai). Nam-Myoho-Renge-Kyo ist somit die Lebenskraft und Weisheit, die alles Negative sowohl in unserem Leben als auch in unserer Umgebung reinigt und ins Positive verwandelt.[11]


SHITEI FUNI (SHISHO DESHI NINI FUNI)

(Einheit von Meister und Schüler;
shisho= Meister, deshi= Schüler, nini funi= zwei, und doch nicht zwei)

Nichikan Shonin erläuterte: Wenn normale Sterbliche den Gohonzon annehmen, wird ihr Leben - genau so, wie es ist - in das Leben des Buddhas der grenzenlosen Freude der Zeit ohne Anfang verwandelt. Dies ist auf das Prinzip der Einheit von Meister und Schüler zurückzuführen.
In seiner "Erläuterung zu 'Das Wahre Objekt der Verehrung'" schrieb Nichikan Shonin:
"Jeder, der dieses Objekt der Verehrung empfängt und annimmt, betritt den Weg des Buddhas der Zeit ohne Anfang. (...) Und wir gewöhnlichen Sterblichen, die wir den Weg dieses Buddhas betreten haben, sind vollkommen eins mit diesem Buddha der grenzenlosen Freude. Der Buddha der grenzenlosen Freude ist völlig eins mit uns. Wie könnte es sein, dass dies nicht auf die Einheit von Meister und Schüler hindeutet?"[12]

"Wenn Sie den selben Geist wie Nichiren haben, dann müssen Sie ein Bodhisattwa aus der Erde sein. Und da Sie ein Bodhisattwa aus der Erde sind, gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass Sie ein Schüler des Buddhas seit der entferntesten Vergangenheit sind."[13]

Wie können wir denselben Geist wie Nichiren Daishonin erwerben? Das ist nur möglich, wenn Sie "sich Ihren Glauben als ein Ausübender des Lotus-Sutra (erhalten) und (...) sich immer als Schüler Nichirens (üben)", das heißt, wenn Sie seine Lehren mit Ihren Gedanken, Worten und Taten ausüben. Dieser Satz enthält das Prinzip von shitei funi, der Einheit von Meister und Schüler. Funi ist eine Zusammenziehung von nini funi, was soviel bedeutet wie "zwei und doch nicht zwei". Oberflächlich betrachtet, sind Meister und Schüler zwei; sie haben eindeutig verschiedene Standpunkte. Aber im tiefsten Grund des Lebens sind sie ein und derselbe.
Die Einheit von Meister und Schüler bildet das eigentliche Wesen ihrer Beziehung, wie sie vom Buddhismus gelehrt wird. Darum sind wahre Schüler Nichiren Daishonins diejenigen, die "den selben Geist wie Nichiren haben", die sich also seinen Geist zueigen machen und ihr Leben einsetzen, um die vornehme Aufgabe zu vollenden, die er begonnen hat. Wer nur Lippenbekenntnisse abgibt oder lediglich vorgibt, seiner Verantwortung nachzukommen, wird früher oder später ernstlich vom Daishonin getadelt werden.[14]

'Im Nirvana-Sutra erklärt Shakyamuni: "... wenn er den Verleumder streng zur Rede stellt, ihn vertreibt oder straft, dann ist er mein Schüler und einer, der wirklich meine Lehren versteht." Sowohl Meister als auch Schüler werden sicherlich in die Hölle der unaufhörlichen Leiden fallen, wenn sie Feinde des Lotos-Sutras sehen und es unterlassen, sie zu ermahnen.'[15]
Hier wird eine der wichtigsten Grundlagen des Buddhismus angesprochen, die "Meister-Schüler-Beziehung". An mehreren Stellen seiner Schriften lehrt Nichiren Daishonin diese tiefe Beziehung zwischen Meister und Schüler als Kern und unerlässlich für die Übertragung und ewige Ausübung der buddhistischen Lehren. Das buddhistische Prinzip für solche Gemeinsamkeit lautet shitei funi (kurz für shishi deshi nini funi = (wörtl.) "Meister und Schüler sind zwei und doch nicht zwei"). Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Meister und sein(e) Schüler den gleichen Weg verfolgen, nämlich den "Weg des Buddhas", wobei der Meister das Ziel bereits erreicht hat, während der Schüler noch "unterwegs" ist.
In einer anderen Gosho, "Über Blumen und Samen", steht ein weiterer deutlicher Vergleich über die Bedeutung von Schüler und Meister:
"Es heißt, wenn ein Meister einen guten Schüler hat, werden beide die Buddhaschaft erlangen; wenn ein Meister schlechte Schüler um sich sammelt, werden Meister und Schüler in die Hölle fallen.
Wenn Meister und Schüler nicht der gleichen Meinung sind, können sie nichts erreichen."
Und zuvor heißt es: "Ohne Erde können Pflanzen nicht wachsen. Ich, Nichiren, bin wie die Pflanze, und mein Meister ist wie die Erde."[16]
(...)
In der Gosho "Das Wahre Wesen des Lebens" steht, dass wer Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet und andere lehrt, ein Bodhisattwa aus der Erde ist, ein Mensch, der Kosen-rufu mit seinem Leben verwirklicht:
"Wenn ich, Nichiren, ein Bodhisattwa aus der Erde sein sollte, so müssen es auch meine Schüler sein. Das Hosshi-Kapitel erklärt: 'Wenn es jemanden gibt, ob Mann oder Frau, der einen Menschen, und sei es im Geheimen, auch nur einen Satz aus dem Lotos-Sutra lehrt, so mach' bekannt, dass dieser der Gesandte des Buddhas ist, geschickt, um die Aufgabe des Buddhas auszuführen.'"
(...)
Wer sein Leben ganz einer Sache oder den Menschen widmen will, sollte sein Handwerk von einem großen Meister erlernen, womöglich dem erfahrensten, fähigsten. Und wer sein Leben Kosen-rufu widmen will, kann nur als entschlossener Schüler des "Meisters von Kosen-rufu" den Sieg seines Lebens "für die Menschen" erringen.
Jeder einzelne praktizierende Buddhist innerhalb unserer Bewegung sollte die Beziehung zu unserem Meister suchen und intensivieren, die Weisheit des Meisters verstehen und nutzen - für die Verwirklichung des eigenen Glücks, und für das Glück der anderen "Leben auf Leben, das ganze Universum hindurch, werden sie immer zusammen mit ihren Meistern im Buddhaland geboren."[17][18]

(...) Der Buddhismus (ist) eine Philosophie, die den Menschen zur Selbständigkeit verhilft. Er ist die Lehre, die es den Menschen ermöglicht, sich durch ihre eigenen Bemühungen zu entwickeln. Wir können keinen Zustand großer Tiefe im Leben entwickeln, wenn wir in Abhängigkeit vom Lehrer leben. Das ist das buddhistische Prinzip von Meister und Schüler.
(...)
Shakyamuni sagte, er ginge ins Nirvana ein, um die Menschen von diesem grundlegenden Übel zu heilen. Er verkündete seine Lehre, die die Menschen zur Buddhaschaft führt, einen Zustand, erhaben wie der Himalaja. Denn er wusste, dass der Mensch sich unausweichlich zum Oberflächlichen hingezogen fühlt. Die große Aufgabe des Buddhismus liegt in der Bildung und Entwicklung des Charakters.
Daraus folgt, dass der Wunsch, ständig mit dem Meister zusammen zu sein, nicht der Weg des Schülers ist. Es geht vielmehr darum, die Lehre des Meisters anzunehmen und sich mit aller Kraft darum zu bemühen, sie selbständig auszuüben. Das ist der wahre Weg des Schülers.[19]

In der Gosho schreibt Nichiren Daishonin:
"Diejenigen, die zu meinen, Nichirens, Schülern und Anhängern werden, sollten die tiefe karmische Beziehung, die sie mit mir verbindet, begreifen und das Lotos-Sutra mit demselben Geist verbreiten",[20] und "Alle diejenigen, die sich als meine Schüler bezeichnen und das Lotos-Sutra ausüben, sollten wie ich praktizieren".[21] In beiden Abschnitten weist der Daishonin darauf hin, dass diejenigen seine Schüler sind, die mit derselben Einstellung wie er für Kosen-rufu handeln.
(...)
Was ermöglichte es Nikko Shonin, dem zweiten Hohenpriester, die Übertragung des Glaubens von Nichiren Daishonin als dessen wahrer Schüler zu erben? Der Grund: Er hatte dem Daishonin beständig gedient, an dessen Seite Verfolgungen über sich ergehen lassen und sich mutig für die Verbreitung eingesetzt, genau so, wie sein Meister es gelehrt hatte.
Den Glauben in perfekter Übereinstimmung mit der Lehre des ursprünglichen Meisters, Nichiren Daishonin, zu praktizieren und sich mit einer Einstellung selbstloser Widmung zu bemühen, das kann man als wesentliche Voraussetzungen eines wahren Lehrers bezeichnen, einer, der würdig ist, das Vermächtnis des Daishonin zu erben.[22]

Im Grunde genommen ist Nam-Myoho-Renge-Kyo das erleuchtete Leben Nichiren Daishonins selbst, des Buddhas, der in seiner Person das Lebensgesetz, die letztendliche Wirklichkeit des Lebens und Universums, verkörpert hat. Ein wichtiges buddhistisches Prinzip ist daher die 'Untrennbarkeit von Meister und Schüler' (Shitei-funi), die besagt: Nur dadurch, dass wir den Buddhismus praktizieren, wie der Buddha ihn lehrt, können wir die tiefe Bedeutung von Nam-Myoho-Renge-Kyo immer mehr erleben und verstehen. Diese Einstellung ist in der buddhistischen Ausübung entscheidend: "Wenn Meister und Schüler mit unterschiedlichem Geist beten, dann werden ihre Gebete so vergeblich sein wie der Versuch, ein Feuer auf dem Wasser anzufachen. Selbst wenn sie in einem Geist beten, werden ihre Gebete unbeantwortet bleiben, wenn sie seit langem den Wahren Buddhismus durch den Glauben an unterlegene Lehren verleumdet haben. Schließlich werden sie beide ruiniert."[23][24]


SHOHO JISSO SHO

(Das wahre Wesen des Lebens)

Der japanische Ausdruck der Gosho 'shoho jisso sho' enthält praktisch die Essenz dieser Gosho. 'Shoho' bedeutet 'alle Erscheinungen', das heißt, das tägliche Leben, und 'jisso' bedeutet 'das wahre Wesen' oder den Glauben an das wahre Wesen. Das wahre Wesen existiert in uns selbst und heißt Buddhaschaft. Je tiefer und intensiver wir uns der eigenen Buddhaschaft bewusst werden, desto deutlicher merken wir die Auswirkungen des wahren Wesens in unserem täglichen Leben.
Die Wahrheit macht die Menschen frei. Doch viele Menschen haben Angst vor der totalen Freiheit. Der Glaube an das wahre Wesen in uns und im Universum ermöglicht uns, diese Freiheit zu ertragen und zu genießen. Daisaku Ikeda sagte: "Die Kraft ist wichtig, aber begrenzt, die Weisheit jedoch ist unbegrenzt!" Der Glaube an das wahre Wesen erzeugt unendliche Weisheit, und diese Weisheit lässt uns das Ganze begreifen. [25]

Auch wenn es zunächst so aussieht, als hätte Shakyamuni nach einem genau vorbedachten System gepredigt, lehrte er in Wirklichkeit, indem er sich den Menschen hingab und sie durch mitfühlende Worte ermutigte. Aus den Aufzeichnungen seiner Schüler entstanden schließlich die Sutren in der Form, wie wir sie heute kennen.
Ebenso sprach und schrieb Nichiren Daishonin - mitten unter den Menschen.
Die Gosho "Das Wahre Wesen des Lebens" enthält die wesentlichen Elemente seines Buddhismus. Sie beginnt mit den Worten: "Im Hoben-Kapitel des ersten Bandes des Lotos-Sutras steht geschrieben: 'Nur ein Buddha versteht das Wahre Wesen aller Phänomene und teilt dieses Verständnis mit allen Buddhas. Diese Wirklichkeit besteht aus Erscheinung, Charakter ... und deren Übereinstimmung von Anfang bis Ende.' Was bedeutet dieser Abschnitt?" Darauf klärt Nichiren Daishonin das Wesens des Lotos-Sutras indem er den Gohonzon unter dem Aspekt von Nam-Myoho-Renge-Kyo erklärt.
Anschließend weist er auf die Verbreitung des Lotos-Sutras durch Bodhisattwa Jogyo hin und gibt sich sowohl als der Buddha, der den Dai-Gohonzon für die Erlösung der Menschen im Späten Tag des Gesetzes errichten soll, als auch als der Buddha der unendlichen Vergangenheit zu erkennen.
In der zweiten Hälfte der Gosho sagt Nichiren die Verwirklichung von kosen-rufu voraus und legt den Weg von Glaube Ausübung und Studium fest, als buddhistische Ausübung für die Zeit des Späten Tages und für alle Ewigkeit.
"Er bedeutet, dass alle Wesen und deren Umgebung in jeder der Zehn Welten, von Hölle, der niedrigsten, bis zur Buddhaschaft, der höchsten, ohne Ausnahme Manifestationen von Nam-Myoho-Renge-Kyo sind." [26]
Im Buddhismus ist das Wahre Wesen aller Bewegungen des Universums Myoho-Renge-Kyo. Gewöhnliche Sterbliche sehen nur die Bäume, die sich im Wind wiegen, aber der Buddha erkennt darin das Pulsieren des mystischen Rhythmus von Myoho-Renge-Kyo. Für ihn ist der Glanz der Sonne die harmonische Manifestation des Mystischen Gesetzes, das alle Arten von Leben auf der Erde hervorruft. Jeder Aspekt unseres Lebens ist gemäß dem Mystischen Gesetz entstanden, und wir handeln immer in seinem Rhythmus.
"Das Wahre Wesen aller Phänomene" ist eine Philosophie, die alle Phänomene des Universums als Offenbarungen von Myoho-Renge-Kyo betrachtet. Letzten Endes jedoch führt sie zum Gohonzon, der wie ein Konzentrat aller Phänomene ist. Im Buddhismus des Daishonins steht daher "das Wahre Wesen aller Phänomene" für den Gohonzon. [27]

"Mia-lo sagt: 'Sowohl Leben (shoho) als auch seine Umgebung (eho) manifestieren immer Nam-Myoho-Renge-Kyo.'" [28]
In seiner Hokke Mongu Ki schreibt er, dass alle zehn Zustände des Lebens und seiner Umgebung Manifestationen von Myoho-Renge-Kyo sind. Er erläutert, dass das Wesen der Umgebung und das Wesen des Lebens eine vollkommene Einheit bilden. Eine Umgebung ist immer das Wesen von Myoho-Renge-Kyo, genau wie das Leben darin auch. Beide sind Aspekte des Gesetzes von Myoho-Renge-Kyo; denn das ursprüngliche Gesetz des Lebens selbst, Myoho-Renge-Kyo, offenbart sich selbst gleichzeitig in der Form der Lebewesen und als deren Umgebungen und verbindet beide miteinander. Daraus ersehen wir das mächtige Prinzip des Buddhismus, dass eine Revolution innerhalb des Lebens (shoho) immer auch zu einer Revolution der Umgebung (eho) führt. [29]

Das wahre Wesen aller Phänomene ist die Weisheit des Buddhas, die nur von Buddhas verstanden wird und die alle Buddhas teilen. Shakyamuni erklärt, dass das wahre Wesen aus den zehn Faktoren von "Erscheinung, Natur, Wesen, Kraft, Einfluss, innerer Ursache, Beziehung, latenter Wirkung, manifester Wirkung und deren Übereinstimmung von Anfang bis Ende besteht.
Die zehn Faktoren sind:

  1. "Erscheinung (nyo se so)": Die äußere Manifestation von Leben;
  2. "Natur (nyo se sho)": Der geistige oder mentale Aspekt des Lebens;
  3. "Wesen (nyo se tai)": Die Gesamtheit des Lebens, bestehend aus Erscheinung und Natur ;
  4. "Kraft (nyo se riki)": Inhärente Energie;
  5. "Einfluss (nyo se sa)": Nach außen gerichtete Handlung;
  6. "Innere Ursache (nyo se in)": Die innere Ursache für Ereignisse;
  7. "Beziehung (nyo se en)": Die Ursachen oder Bedingungen, die die innere Ursache aktivieren;
  8. "Latente Wirkung (nyo se ka)": Die (in der Tiefe des Lebens) durch innere Ursache und Beziehung verursachte Wirkung;
  9. "Manifeste Wirkung (nyo se ho)": Die konkrete, wahrnehmbare Manifestation der latenten Wirkung;
  10. "Übereinstimmung von Anfang bis zum Ende (nyo se honmatsu kukyoto)": Das vollkommene Zusammenwirken dieser neun Faktoren in jedem Augenblick.

Die zehn Faktoren können folgendermaßen zusammengefasst werden: Die drei Faktoren von Erscheinung, Natur und Wesen erklären die wesentliche Zusammensetzung aller Phänomene. Die sechs Faktoren von Kraft, Einfluss, innerer Ursache, Beziehung, latenter und manifester Wirkung beschreiben die Funktionen und das Wirken aller Phänomene. Übereinstimmung vom Anfang bis zum Ende zeigt den Zusammenhang aller neun Faktoren, angefangen bei der Erscheinung bis zur manifesten Wirkung. Vor jedem Faktor steht der Begriff 'nyo', der wörtlich übersetzt 'es ist wie' heißt. Damit sagt Shakyamuni: Man kann die Weisheit des Buddhas grundsätzlich nicht in Worte fassen, doch könnte man sie so beschreiben.
Ich möchte die zehn Faktoren anhand eines Beispiels erklären. Unsere eigene Existenz ist ein "Phänomen". Unser Aussehen, unsere Haltung und so weiter machen die Erscheinung des Phänomens des Lebens aus. Charaktereigenschaften wie Ungeduld, Großmut, Freundlichkeit, Zurückhaltung oder die verschiedenen Aspekte von Persönlichkeit oder Temperament bilden zusammen die Natur. Die Gesamtheit der körperlichen und geistigen Aspekte - von Erscheinung und Natur - bilden das Wesen, die Person.
In unserem Leben gibt es verschiedene Energien (Kraft), die ihrerseits verschiedene äußere Funktionen hervorrufen (Einfluss). Damit wird unser Leben zu einer Ursache (innere Ursache), und von inneren und äußeren Bedingungen aktiviert (Beziehung) werden Veränderungen im Leben verursacht (latente Wirkung), die sich schließlich äußerlich zeigen (manifeste Wirkung).
Darüber hinaus verweben die neun Faktoren unser Leben und unsere Umgebung in vollkommener Übereinstimmung ohne eine Auslassung der Faktoren (Übereinstimmung vom Anfang bis zum Ende). Das ist der wahre Aspekt der zehn Faktoren in unserem Leben.
Die zehn Faktoren sind nicht auf Menschen beschränkt. Blumen und auch anorganische Dinge: ein Kieselstein, der Himmel, der Mond, Sterne, die Sonne, das Meer mit seinem Salzgeruch, zerklüftete Berge, Häuser, Autos, Möbel, Gebrauchsgegenstände - die zehn Faktoren beschreiben die Existenz aller Dinge.

Ein Buddha versteht anhand eines einzigen Phänomens das wahre Wesen. Wenn er einen Menschen ansieht, sieht er dessen Lebenszustand und Buddhanatur. Wenn ein Buddha etwas in der Natur betrachtet, erkennt er die innere noble Schönheit. Bei einem sozialen Phänomen erkennt er sofort dessen tiefere Bedeutung. Die Weisheit, das wahre Wesen aller Phänomene zu kennen, ist die Fähigkeit, die wahre Natur alle Dinge zu sehen.

Der Buddhismus erklärt, dass es für Menschen entsprechend ihrem Lebenszustand fünf Arten zu sehen gibt: mit dem Auge des gewöhnlichen Sterblichen, dem göttlichen Auge, dem Auge der Weisheit (dem Menschen der zwei Fahrzeuge), dem Auge des Gesetzes von Ursache und Wirkung (der Bodhisattwas) und dem Auge des Buddhas. Zum wahren Wesen aller Phänomene erleuchtet zu sein, bedeutet, alles mit dem Auge des Gesetzes von Ursache und Wirkung und dem Auge des Buddhas zu sehen.

Ein Buddha sieht das wahre Wesen, wie es sich durch die Phänomene manifestiert, und erkennt genau, dass das wahre Wesen niemals getrennt von den Phänomenen existiert.
Man könnte die ständig wechselnden Phänomene mit Wellen vergleichen und das wahre Wesen mit dem Meer. Einerseits entstehen die Wellen durch das Meer und bestehen aus Meerwasser. Andererseits gibt es kein Meer, das sich nicht durch Wellen manifestiert. Im wesentlichen sind beide eins.

Die Weisheit des Buddhas, das wahre Wesen zu erkennen, das sich in allen Phänomenen manifestiert, ist identisch mit dem Mitgefühl des Buddhas, der allen Menschen ermöglichen will, Buddha zu werden.
Nichiren sagt: "Jedoch ist das Leben selbst der wertvollste aller Schätze. Selbst die Schätze des gesamten Universums können nicht den Wert eines einzigen menschlichen Lebens erreichen." [30]
Aus der Sicht des Buddhismus Nichirens ist das wahre Wesen aller Phänomene der Gohonzon. [31]

Nichiren beginnt den Brief "Das wahre Wesen des Lebens" mit der einfachen Feststellung, dass der Abschnitt des Lotos-Sutras über die zehn Faktoren "bedeutet, dass alle Wesen und deren Umgebung in irgendeiner der Zehn Welten, von Hölle, der niedrigsten, bis zur Buddhaschaft, der höchsten, ohne Ausnahme Manifestationen von Myoho-Renge-Kyo sind". [32] Leben in jeder Form (alle Phänomene, die ständigem Wandel unterworfen sind) ist die Manifestation von Nam-Myoho-Renge-Kyo (dem wahren Wesen).
Durch unsere Ausübung erkennen wir das wahre Wesen aller Phänomene und manifestieren es aktiv im eigenen Leben.
Nichiren erklärt, dass alle neun Faktoren in jeder der zehn Welten im Grund Manifestationen von Myoho-Renge-Kyo sind. Alles als Manifestationen von Myoho-Renge-Kyo zu sehen, bedeutet, das wahre Wesen aller Phänomene wahrzunehmen.
In einer anderen Gosho sagt Nichiren dies klar: "Die zehn Faktoren des Lebens sind Myoho-Renge-Kyo". [33] Nam-Myoho-Renge-Kyo ist das dem Universum zugrundeliegende Gesetz (das wahre Wesen), das sich ununterbrochen als Leben in den zehn Welten manifestiert (alle Phänomene).
Aus der Sicht des Buddhismus Nichirens ist das wahre Wesen aller Phänomene nichts anderes als der Gohonzon.
So gesehen ist "Nam-Myoho-Renge-Kyo Nichiren", das in der Mitte des Gohonzons von oben nach unten geschrieben ist, das wahre Wesen; die Wesen der zehn Welten auf beiden Seiten entsprechen somit allen Phänomenen. Nach der Lehre von ichinen sanzen (ichinen = ein einziger Augenblick) ist ichinen das wahre Wesen und sanzen (dreitausend Welten) sind die Phänomene.
Nichiren sagt: "Die Lebewesen der zehn Welten sind alle Buddhas des wahren Wesens aller Phänomene." [34]
So lange wir ernsthaft vor dem Gohonzon beten und uns für Kosen-rufu einsetzen, sind wir Buddhas des wahren Wesens aller Phänomene, gleichgültig ob wir gerade Freude oder Kummer erfahren. Jeder kann seine einzigartige Aufgabe erfüllen.
Im Grunde ist das ganze Universum das wahre Wesen aller Phänomene und der Gohonzon.

"Der letztendliche Zweck des Erscheinens der Buddhas in der Welt ist das Lotos-Sutra, die fundamentale Lehre, die allen Lebewesen den Weg zur Buddhaschaft 'öffnet'. Diese Lehre liegt allein in dem aus vier Schriftzeichen bestehenden Ausdruck des wahren Wesens aller Phänomene .... Dieser eine Satz ist von unermesslicher Bedeutung." [35]

Miao-lo sagt in der Kompeiron, seiner Abhandlung über die allen lebenden und toten Dingen innewohnende Buddhaschaft: "Das Wahre Wesen ist ganz sicher in allen Phänomenen offenbart, und alle Phänomene besitzen ganz sicher die Zehn Faktoren. Die Zehn Faktoren wirken ganz sicher innerhalb der zehn Welten, und die Zehn Welten erfordern ganz sicher sowohl Leben als auch seine Umgebung."
Erst unter dem Aspekt von Nichiren Daishonins Buddhismus kommt die eigentliche Bedeutung dieser Worte von Miao-lo zum Vorschein: Sie weisen auf den Gohonzon der drei großen Esoterischen Gesetze hin: die großen Schriftzeichen "Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nichiren" in der Mitte des Gohonzons repräsentieren das Wahre Wesen aller Phänomene der Zehn Welten, während die Vertreter der Zehn Welten rechts und links davon die Zehn Welten im Leben des Daishonins sind, die zehn verschiedenen Funktionen des Lebens, die vom ewigen Licht von Nam-Myoho-Renge-Kyo erleuchtet werden.

Nichiren Daishonin zufolge enthüllt der Ausdruck "das Wahre Wesen aller Phänomene", dass alles Leben im Universum Myoho-Renge-Kyo ist. [36]

Die beiden Buddhas, Shakyamuni und Taho, sind lediglich Funktionen des Wahren Buddhas, während Myoho-Renge-Kyo tatsächlich der Wahre Buddha ist. Das Sutra erläutert dies als "das Geheimnis des Tathagata und seiner mystischen Kraft". Das "Geheimnis" verweist auf das Wesen der drei Eigenschaften des Buddhas und die "mystische Kraft" auf ihre Funktionen. Das Wesen ist der Wahre Buddha und die Funktion ein vorläufiger Buddha.
Der gewöhnliche Sterbliche bedeutet das Wesen jener drei Eigenschaften oder der Wahre Buddha. Der Buddha ist die Funktion der drei Eigenschaften oder ein vorläufiger Buddha. [37]

In dem Ausdruck "Das wahre Wesen aller Phänomene" steht "das wahre Wesen" für das Wesen und "alle Phänomene" für die Funktion.

Das Wesen von Myoho-Renge-Kyo ist in allen Phänomenen zu finden, sei es im Zustand der Hölle, des Hungers, in einem gewöhnlichen Sterblichen oder in einem Buddha. Das bedeutet "das wahre Wesen aller Phänomene". [38][39]

Der japanische Denker und Schriftsteller Knazo Uchimura (1861-1930) schrieb einmal: "Erfolg im Leben bedeutet nichts weiter, als seine Begabung zu erkennen und diese umzusetzen." Doch er fügt auch hinzu: "Meistens erkennen die Menschen ihre Begabung nicht und sie verbringen ihr Leben damit, etwas zu tun, das ihnen weder liegt, noch das besonders gut zu ihnen passt."
(...) Wer seine Anstrengungen mit einer Einstellung (wie "Ich habe wirklich eine Menge Glück. Hart zu arbeiten bringt wirklich Freude.") betrachten kann, ist weise. Die Wahrheit des Lebens eines solchen Menschen wird sich in seiner oder ihrer Erscheinung ausdrücken. Dies ist das Prinzip des wahren Wesens in allen Phänomenen. [40]

"Alle Phänomene" in dem Sutra verweist auf die Zehn Welten, und das "Wahre Wesen" ist das, was sie Zehn Welten durchdringt Wirklichkeit [41] ist ein anderer Ausdruck für Myoho-Renge-Kyo, daher ist Myoho-Renge-Kyo in allen Phänomenen offenbar. [42]

Die Gosho "Das Wahre Wesen des Lebens" betrifft im besonderen Nichiren Daishonin selbst, die Erleuchtung und Praxis des Wahren Buddhas des Späten Tages des Gesetzes. Sie ist die Antwort auf die Bitte seines Schülers Sairen-bo um eine Erklärung des Konzeptes des "Wahren Wesens aller Phänomene", welches ihm aus der Tendei-Schule bekannt war.

In diesem Schriftstück wird dann der Kern des Lotos-Sutras enthüllt, nämlich das Gesetz von Myoho-Renge-Kyo und seine Materialisierung, der Dai-Gohonzon. Das ist das erste Element, genannt 'ho-honzon', der Gegenstand der Verehrung in Form des Gesetzes.

Nichiren Daishonin kommt zu dem Schluss, dass er selbst die Reinkarnation des Bodhisattwas Jogyo ist. Tiefer betrachtet zeigt sich jedoch, dass er der Wahre Buddha von kuon ganjo ist, der den Dai-Gohonzon zur Errettung für alle Menschen im Späten Tag des Gesetzes eingeschrieben hat. Daher ist "Das Wahre Wesen des Lebens" auch nin-honzon, d.h. der Gegenstand der Verehrung als Person.

Zuletzt sagt der Daishonin voraus, dass Kosen-rufu in der Zukunft erreicht wird und legt das Kernstück der buddhistischen Praxis für die Zeit des Späten Tages des Gesetzes bis in die Unendlichkeit fest, nämlich Glaube, Ausübung und Studium. [43]

T'ein-t'ai erklährt: "Das vollkommene Prinzip des 'Waren Wesens' ist das ursprüngliche Gesetz von Myoho-Renge-Kyo." Damit setzt er die Bezeichnung 'Wahres Wesen' mit der theoretischen Lehre gleich und das "ursprüngliche Gesetz von Myoho-Renge-Kyo" mit der wesentlichen Lehre. Sie sollten diesen Abschnitt mit Ihrem Herzen lesen.

Ich, Nichiren allein, begann, die Aufgabe der Bodhisattwas aus der Erde zu erfüllen. Ich könnte sogar einer von ihnen sein. Wenn ich, Nichiren, ein Bodhisattwa aus der Erde sein sollte, so müssen es auch meine Schüler sein. Das Hosshi-Kapitel erklärt: "Wenn es jemanden gibt, ob Mann oder Frau, der einen Menschen, und sei es im Geheimen, auch nur einen Satz aus dem Lotos-Sutra lehrt, so macht bekannt, dass dieser der Gesandte des Buddhas ist, geschickt, um die Aufgabe des Buddhas auszuführen." Auf wen außer uns könnte das zutreffen?

Zuerst chantete nur ich, Nichiren, Nam-Myoho-Renge-Kyo, doch dann folgten zwei, drei und hundert, die chanten und andere lehren. Gleichermaßen wird sich die Verbreitung in der Zukunft entwickeln. Ist das nicht gemeint mit "aus der Erde hervortreten"?

Glauben Sie an den Gohonzon, das Wahre Objekt der Verehrung in der Welt. Bilden Sie starken Glauben und erhalten Sie dadurch den Schutz von Shakyamuni, Taho und allen anderen Buddhas. Bemühen Sie sich in den zwei Wegen von Ausübung und Studium. Ohne Ausübung und Studium kann es keinen Buddhismus geben. Praktizieren Sie beständig für sich selbst und lehren Sie andere. Sowohl die Praxis wie das Studium entspringen dem Glauben. Lehren Sie andere nach besten Kräften und sei es nur ein einziger Satz oder ein einziger Begriff. [44]

 


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[1] Pat Allwright; Gut und Böse - die drei Wahrheiten; Forum Januar 1993; S.18.
[2] Nichiren Daishonin; Über die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben; Deutsche Gosho, S.44.
[3] Pecci/Ikeda, Noch ist es nicht zu spät, S.155-156.
[4] Pat Allwright; Gut und Böse - praktische Erleuchtung; Forum Januar 1993; S.19.
[5] Daisaku Ikeda; Gosho-Studium - Das Erbe des letztendlichen Gesetzes des Lebens; Forum Januar 1995; S.31.
[6] Erläuterungen entnommen aus: Yasuji Kirimura "Grundzüge des Buddhismus"; 1988, S. 126ff.
[7] Thomas Oelschläger; Wissen und Weisheit; Forum Februar 1996; S. 21/2.
[8] Am Ende des Hoben-Kapitels des Lotos-Sutras steht: "Nur ein Buddha versteht das Wahre Wesen aller Phänomene und teilt dieses Verständnis mit allen Buddhas. Diese Wirklichkeit besteht aus: 1. Gestalt, 2. Eigenschaft, 3. Wesen, 4. Kraft, 5. Auswirkung, 6. innere Ursache, 7. äußere Ursache, 8. innere Wirkung, 9. äußere Wirkung, 10. Übereinstimmung von Anfang bis Ende."
[9] Einführung in den Buddhismus Nitschiren Daishonins; S.45/6.
[10] Daisaku Ikeda; Die Erläuterung des Lotos-Sutras; Forum Februar 1995; S.34.
[11] Einführung in den Buddhismus Nichiren Daishonins; S.35.
[12] Die Erläuterung Nichikan Shonins, S.488. Zitiert aus: Daisaku Ikeda; Der reine Glaube lebt in der SGI; Forum November 1993; S.15.
[13] Nichiren Daishonin; Das wahre Wesen des Lebens.
[14] Daisaku Ikeda; Gosho Erläuterung zu 'Das Wahre Wesen des Lebens'; Forum Juni 1994; S.22.
[15] Deutsche Gosho, Band 1, Seite 153, "Warnung vor Verleumdung".
[16] Deutsche Gosho, Band 1, Seite 119.
[17] Deutsche Gosho, Band 1, Seite 137/8.
[18] Peter Kühn, Der Schüler ist wie die Pflanze und der Meister wie die Erde, Forum Juli 1994, S.13.
[19] Daisaku Ikeda;Lotos-Sutra Erläuterung; Forum April/Mai 1997; S.43.
[20] Englische Gosho, Bd 1, S. 23.
[21] Englische Gosho, Bd 3, S. 298.
[22] Daisaku Ikeda; Neue menschliche Revolution; S.177.
[23] Deutsche Gosho; S. 79.
[24] Einführung in den Buddhismus Nichiren Daishonins; S. 30.
[25] Yoshiharu Matsuno; Das Studium des Jahres 1994; Forum Januar 1994; S. 7.
[26] Nichiren Daishonin; Das Wahre Wesen des Lebens; S. 32-35.
[27] Daisaku Ikeda; Gosho-Erläuterung, Teil 1; Forum Februar 1994.
[28] Nichiren Daishonin; Das Wahre Wesen des Lebens (Miao-lo; Hokke Mongu Ki).
[29] Daisaku Ikeda; Gosho-Erläuterung, Teil 2; Forum März 1994; S. 22.
[30] Dt. Gosho, Band 1, S. 64.
[31] Daisaku Ikeda; Lotos-Sutra Erläuterung; Forum August/September 1996; S.14.
[32] Dt. Gosho; Bd. 1; S.35.
[33] Jap. Gosho, S. 415.
[34] Jap. Gosho, S. 830.
[35] Jap. Gosho, S. 1139.
[36] Daisaku Ikeda; Gosho-Erläuterung "Das Wahre Wesen des Lebens"; Forum März 1994; S.24.
[37] Nichiren Daishonin; "Das Wahre Wesen des Lebens".
[38] Daisaku Ikeda; Gosho-Erläuterung "Das Wahre Wesen des Lebens"; Forum April 1994; S.23-27.
[39] Weitere Erläuterungen von Daisaku Ikeda zur Gosho "Das Wahre Wesen des Lebens" finden sich im Forum April-Juni und Oktober/November 1994.
[40] Daisaku Ikeda; Arbeit und Werte; Forum November 1995; S.6.
[41] Wirklichkeit: eine andere Übersetzung für "Wahres Wesen" aller Phänomene.
[42] Nichiren Daishonin; "Das Wahre Wesen des Lebens".
[43] Hintergrund zur Gosho; Forum Februar 1994; S.31.
[44] Nichiren Daishonin; Das "Wahre Wesen des Lebens"; Forum Februar 1994; S.29-31.

 
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